Vom achtsamen Umgang mit digitalen Tools
Von Sabine Krüpe
Digital 24/7
Digitalisierung bestimmt die moderne Arbeits- und Lebenswelt. Überall verlassen sich Menschen auf ihre Handys, E-Mails und digitale Assistenten, um Daten, Pläne und Ideen immer schneller zu sammeln, zu übertragen und zu verarbeiten.
Eltern schenken ihren Handys oft mehr Aufmerksamkeit als ihrem Kind. Bei einem Spaziergang im Park sabbelt das Kind im Kinderwagen nicht selten allein vor sich hin, während die Eltern wichtige Nachrichten versenden. WhatsApp-Omis und -Opas sind voll imTrend. Berührungsempfindliche Touchscreen-Bildschirme erhalten öfter eine Berührung als die Menschen, die wir lieben. Bekommen wir nur wenig Likes oder Follower für unsere ach so grandiosen Posts, fühlen wir uns nicht wirklich zufrieden, auch wenn unser Partner etwas Leckeres gekocht hat.
Alles noch im gesunden Gleichgewicht? Wieviel Lebenszeit verwenden wir für digitale Medien, für Serven, E-Mailen, Posten, Messenger & Co.?
Digital als Suchtfaktor
Digitale Tools erhalten von uns eine schwindelerregende Aufmerksamkeit, mehr als wir übrigens unserer Atmung schenken. Tagtäglich geben wir uns unser digitales Dope. Der kurze Blick in den Messenger oder auf die Digital-Watch, das kurze Posten über das, was wir gerade machen, die Likes, die unser Belohnungszentrum schon gierig erwartet… Das Gehirn wird süchtig nach diesen Kicks. Es ist schnell auf Ablenkung konditioniert. Und wir geben ihm wie selbstverständlich den Stoff aus der Hosentasche: wir gucken mal kurz auf´s Handy und checken mal eben gerade die E-Mails. Ein emanzipierter Umgang mit digitalen Tools sieht anders aus.
Unsere Gehirne sind überfordert. Permanente Störungen, Ablenkungen und Unterbrechungen sowie übermäßige „Datenverarbeitung“ machen krank. Der US-amerikanische Psychiater Edward Hallowell nennt dieses Phänomen Attention Deficit Trait (ADT) und sieht dieses Phänomen als Reaktion einer „unruhigen“ Lebensumgebung. Die Folge: ADT-Betroffene haben Schwierigkeiten, organisiert und im Focus zu bleiben, Prioritäten zu setzen und Zeit zu managen.
Die rund um die Uhr verfügbare Lawine an Daten- und Informationen, nachrichtliches Dauerfeuer sowie permanente Ablenkung und Unterbrechungen beeinträchtigen unsere Fähigkeit, uns zu konzentrieren, klar und strategisch zu denken und effektiv Entscheidungen zu treffen. Die Fähigkeit, Probleme flexibel und kreativ zu lösen, nimmt ab. Der Grund: Das Gehirn befindet sich im Krisen- und Überlebensmodus und ist in Alarmbereitschaft versetzt und tut damit nur das absolut Nötigste.
Digital Detox
Die Idee, digital „zu entgiften“ oder auch digitales Fasten ist nichts Neues, bekommt jedoch in der aktuellen Zeit einer sich rasant entwickelnden Digitalisierung eine noch stärkere Bedeutung. Da ist von „digitaler Leibeigenschaft“ die Rede, digitale Stressfallen lauern und digitale Diäten werden verordnet. Ziel des Digitalentzugs ist, digitalen Überkonsum und digitale Dauerablenkung auf ein normales Maß zu reduzieren. Apps und Programme, die uns helfen sollen, unseren digitalen Konsum einzuschränken, sind bereits längst auf dem Markt. Vielleicht ein Mittel zur Selbsterkenntnis. Ein Weg einen emanzipierten Umgang mit dem Digitalen zu lernen: digitale Geräte als Werkzeuge erkennen und dementsprechend nutzen.
7x Tipps für digitale Balance
- Digital Distancing
Entwickeln Sie ein gesundes Gleichgewicht im Umgang mit digitalen Technologien und verändern Sie gegebenenfalls ihr Nutzungsverhalten! Formulieren Sie ihr persönliches Plädoyer für einen smarten Mix aus on- und offline. Schulen Sie ihre Medienkompetenz und ihr Verständnis für Risiken & Nebenwirkungen von Technologie, Digitalisierung, Social Media und Apps. - Offline
Starten Sie den Tag Offline! Nehmen Sie sich erst einmal Zeit zum eigenständigen Denken: Was will ich von diesem Tag? Was sind heute die 20% der Aufgaben die mir 80% Ergebnis bringen werden (vgl. dazu das Pareto-Prinzip)? Erst wenn Sie für diese Überlegung ihre To-Do-Liste erstellt haben, können Sie Online-Gehen und ihren Computer hochfahren… - Zeit-Bilanz
Machen Sie den Test: Wieviel Lebenszeit verwenden Sie mit digitaler Kommunikation, mit Serven, E-Mailen, Posten oder WhatsApp? Ziehen Sie eine persönliche Wochen-, Monats-, und Jahresbilanz. Wieviel Zeit verbringen Sie mit lieben Menschen, guten Gesprächen, wieviel Zeit um sich mit anderen gedanklich auszutauschen oder für sich allein über Dinge nachzudenken? - Denk-Zeit
Sensibilisieren Sie sich für den Vorgang des Denkens! Nehmen Sie sich ganz bewusst Zeit, um zu denken – über Dinge zu reflektieren. Üben Sie sich im Nachsinnen! Oder legen Sie öfter einfach eine Denk-Pause ein, wenn ihre Aufmerksamkeit nachlässt, ohne zur Ablenkung direkt im Internet zu surfen. Ihr Hirn wird es Ihnen danken. - Digital Break
Lassen Sie die digitale Dauerablenkung hinter sich! Etablieren Sie digitale Pausen in ihren Arbeits- und Lebensalltag!
- Smartphone-Sabbat
Verzichten Sie an einem festgelegten Tag der Woche auf ihr Handy. Dieser Digital-Detox-Tipp vom Smartphone-Sabbat wird im Silicon Valley schon lange beherzigt. Ziel ist es, ohne permanente Ablenkungen in Ruhe, Ideen entwickeln oder sich auf seine Arbeit konzentrieren zu können. - Digital emanzipiert!
Emanzipieren Sie ihren Umgang mit digitalen Tools! Nur weil digital, heißt noch lange nicht gut. Checken Sie genau, was Ihnen gut tut und was völlig überflüssig ist. Das Smartphone z.B. hat im Schlafzimmer nichts verloren. Wenn das Handy schon früh morgens griffbereit da liegt, ist die Verführung groß, mal eben die Nachrichten zu checken. Also: Wecker kaufen, der nichts anderes kann als wecken. Für die Uhrzeit kann eine Armbanduhr genutzt werden, im Dunklen eine Taschenlampe, auf der Suche nach einer Adresse eine Landkarte. Oder (total verrückt!) fragen sie einen Passanten nach dem Weg.
Der Artikel ist erstmals im August 2020 im Journal von Sabine Krüpe M.A. erschienen.