7 Fragen - 7 Impulse Heide Hüttner Expertin für Digitale Resilienz

Digitale Resilienz

Privatleben und Arbeitswelt sind durchwoben vom Umgang mit digitalen Medien. Die Nutzung steigt rasant an, ebenso der Stresslevel vieler Menschen. Der Druck durch ständige Erreichbarkeit und Informationsflut ist immens. Digitaler Stress wirkt schleichend und unterbewusst. Aber: digital geht auch stressfrei! Der Schlüssel: selbstbestimmter Medienumgang.

7 Fragen – 7 Impulse

Die Frank-Basten-Stiftung stellt Fragen an:
Heide Hüttner – Expertin für Digitale Resilienz

1. Was fasziniert Dich besonders an Digitaler Resilienz?
Bisher wird in der herkömmlichen Stressbewältigung wenig Aufmerksamkeit auf digitale Medien gelegt, während die Medienpädagogik hauptsächlich die Medienkompetenz, also die Handhabung der Medien, in den Fokus rückt. Die Verbindung dieser beiden Themen eröffnet eine völlig neue Perspektive. Die Digitalisierung schreitet unaufhaltsam voran und bietet zahlreiche Vorteile. Aber gleichzeitig besteht auch eine Wissenslücke in Bezug auf eine gesunde Nutzung. Menschen verwenden ihre digitalen Geräte täglich, ohne sich der automatischen Muster bewusst zu sein, die damit einhergehen, und ohne den Zusammenhang zwischen Medienkonsum und mentaler Gesundheit zu erkennen.

2. Wie schätzt Du die aktuelle Entwicklung Digitaler Resilienz ein?
Die fortschreitende Abhängigkeit von digitalen Technologien und Infrastrukturen hat in vielen Lebens- und Wirtschaftsbereichen einen unaufhaltsamen Aufwärtstrend verzeichnet. Unser Alltag ist zunehmend digital geprägt und das bringt eine Vielzahl von Vorteilen mit sich, z.B. verbesserte Kommunikation, einfacherer Zugang zu Informationen, gesteigerte Effizienz, Umweltschutz und mehr Barrierefreiheit.

Gleichzeitig hat dieser digitale Wandel unseren Alltag und unsere Arbeitsweise drastisch verändert. Ständige Unterbrechungen, eine unermüdliche Flut von Informationen und andere digitale Stressoren führen dazu, dass mehr als ein Drittel der Arbeitnehmer*innen unter digitalem Stress leidet. Tatsächlich gaben 40% der Befragten an, sich durch die Digitalisierung ihrer Arbeit eher stärker belastet zu fühlen, während nur 9% eine Entlastung erfahren. Im Moment nehmen diese Zahlen leider rasant zu.

3. Wenn Du Königin der Welten wärest: was würdest Du bzgl. Digitaler Resilienz als erstes veranlassen?
Es ist an der Zeit, dass jede*r von uns eine Art Gesundheits-Check für seine Mediennutzung durchführt. Oft sind Menschen so stark in ihren Gewohnheiten verankert, dass sie gar nicht bemerken, wie intensiv sie digitale Medien nutzen, und nicht mehr wissen, wie es ohne diese Medien wäre. Digitaler Stress wirkt wie ein ständiges Hintergrundrauschen. Wir gewöhnen uns daran und nehmen es nicht wahr, aber unbewusst belastet es uns dennoch erheblich. Es ist an der Zeit, einen Schritt zurückzutreten und sich selbst zu fragen: Wie oft nutze ich mein Smartphone? Wie viel Zeit verbringe ich täglich auf Social Media? Bin ich zufrieden damit? Welche Veränderungen möchte ich vornehmen?

4. Welchen Nutzen hat die Gesellschaft von Digitaler Resilienz?
Psychische Erkrankungen nehmen derzeit rasant zu. Dafür gibt es sicherlich viele verschiedene Ursachen.  Doch ein Faktor ist zweifellos die voranschreitende Digitalisierung. Sie hält uns nahezu pausenlos in Beschlag, führt zum Verschwinden von Ruhephasen, erhöht das Tempo unseres Lebens und erfordert, ständig erreichbar zu sein. Dadurch wird es immer schwieriger, abzuschalten.
Im Kern bezieht sich Resilienz auf die Fähigkeit zur Widerstandsfähigkeit, insbesondere im Umgang mit Stress. Sie beinhaltet die Regulation und Regeneration von Stress, um den Alltag und insbesondere Krisen gesund zu bewältigen. Die Idee der digitalen Resilienz erweitert diese Definition um die Fähigkeit zum selbstbestimmten Umgang mit digitalen Medien. In unserer hochdigitalisierten Gesellschaft bildet diese Komponente die Grundlage, um den Einflüssen der digitalen Medien mit ausreichender Widerstandskraft zu begegnen.
Digitale Resilienz ermöglicht es, die Vorteile der Medien zu nutzen, ohne dabei unter den damit verbundenen Belastungen zu leiden. Sie unterstützt uns dabei, ein Gleichgewicht zwischen der digitalen Welt und unserer mentalen Gesundheit zu finden und damit die Herausforderungen der modernen Zeit besser zu bewältigen.

5. Was gibt es bei Digitaler Resilienz besonders zu bedenken?
Es ist wichtig, die Idee der digitalen Resilienz von der radikalen Maßnahme des ‚Digital Detox‘, also dem kompletten Verzicht auf digitale Medien, abzugrenzen. Die einfache Nichtnutzung von Medien ist in unserer heutigen Gesellschaft unpraktikabel und unrealistisch.

Es ist vergleichbar mit einer Fastenkur – es kann eine großartige Erfahrung und ein Neustart sein, aber auf lange Sicht ist es nur dann sinnvoll, wenn man auch nach dem Fasten eine nachhaltige Ernährung beibehält.

Ähnlich verhält es sich mit digitalen Medien. Es mag eine bereichernde Erfahrung sein, sie zum Beispiel im Urlaub komplett auszuschalten. Doch im Alltag benötigen wir Strategien, die uns helfen, dauerhaft einen gesunden und ausgewogenen Umgang zu etablieren. Dies erfordert eine bewusste und kontrollierte Nutzung sowie die Fähigkeit, digitale Auszeiten in unseren Alltag zu integrieren und gesunde Gewohnheiten zu entwickeln, um den digitalen Stress zu minimieren.

6. Wie könnte der Wissenstransfer Digitaler Resilienz in die Gesellschaft aussehen?
Also eigentlich müssen alle ins Boot geholt werden 🙂  Die Menschen müssen da abgeholt werden, wo sie sind:

  • Bildung und Schulung: Integration von digitaler Resilienz in Bildungsprogramme auf verschiedenen Ebenen, von der Grundschule bis zur beruflichen Weiterbildung. Dies könnte sowohl Lehrplaninhalte als auch spezielle Schulungsprogramme für Lehrer*innen, Eltern und Schüler*innen einschließen.
  • Arbeitswelt: Angebot von Workshops und Schulungen für Unternehmen, um Mitarbeitende im Umgang mit digitalen Medien und dem Management von digitalem Stress zu schulen (Verhaltensprävention) und gesunde Arbeitsbedingungen und -strukturen (Verhältnisprävention) zu schaffen.
  • Ausbau der Forschung zu dem Thema.
  • Ausbau von Bewusstseinskampagnen: Durchführung von öffentlichen Aufklärungskampagnen, um die breite Öffentlichkeit über die Bedeutung digitaler Resilienz zu informieren und bewährte Methoden und Strategien an die Hand geben.

7. Was wünschst Du dir für die Zukunft?
Eine breite Bildung dazu, wie eine selbstbestimmte und gesunde Nutzung digitaler Medien gelingt. Sie ist entscheidend, um Menschen in die Lage zu versetzen, digitale Werkzeuge und Technologien effektiv zu nutzen. Dies sollte von der Grundschulbildung bis zur Weiterbildung für Erwachsene reichen. Ich wünsche mir, dass das für alle umgesetzt wird.

Es ist von großer Bedeutung, ein Bewusstsein für den engen Zusammenhang zwischen der Nutzung digitaler Medien und unserer Gesundheit zu entwickeln. Dies schließt die Notwendigkeit eines ausgewogenen Verhältnisses zwischen der digitalen und analogen Welt mit ein. Dabei ist es entscheidend, mit unserer digitalen Nutzung zufrieden zu sein und nicht in einer isolierten virtuellen Realität zu versinken.

Ein wichtiger Schritt in diese Richtung ist die Etablierung einer selbstbestimmten Mediennutzung für alle. Dies bedeutet, dass wir bewusste Entscheidungen darüber treffen, wie wir digitale Medien in unser Leben integrieren, anstatt passiv von ihnen vereinnahmt zu werden. Dies ermöglicht es uns, die Vorteile der digitalen Welt zu genießen, ohne die negativen Auswirkungen auf unsere Gesundheit und unsere zwischenmenschlichen Beziehungen zu vernachlässigen.

Indem wir dieses Bewusstsein fördern und selbstbestimmte Mediennutzung praktizieren, können wir dazu beitragen, eine ausgewogenere und gesündere Beziehung zur digitalen Technologie zu entwickeln. Dies kann zu einer verbesserten Lebensqualität, einer besseren sozialen Interaktion, einer erhöhten Barrierefreiheit für alle und einer verantwortungsbewussteren Nutzung unserer Ressourcen führen.


Vielen Dank für Deine Impulse!

7 Fragen - 7 Impulse Heide Hüttner Expertin für Digitale Resilienz

Heide Hüttner
ist Gesellschafterin bei Hüttner & Seidel extrazwei GbR
LinkedIn

extrazwei.de
LinkedIn
Instagram

 

Interview geführt am 28. September 2023 – Veröffentlichung am 04. Oktober 2023

 

Skip to content