7 Fragen - 7 Impulse Stella Imo Expertin für Jugendpolitische Partizipation

Jugendpolitische Partizipation

Wie wollen junge Menschen in Zukunft leben? Wie wollen sie ihre eigene Zukunft und die zukünftige Gesellschaft aktiv mitgestalten? Welche Möglichkeiten einer jugendpolitischen Partizipation gibt es? Der Jugend-Enquete-Kommission e.V. hat sich zur Aufgabe gemacht, die Stimme der Jugend in die Politik zu implementieren. Demokratisch, Partizipativ, Überparteilich, Gemeinnützig.

7 Fragen – 7 Impulse

Die Frank-Basten-Stiftung stellt Fragen an:
Stella Imo – Expertin für Jugendpolitische Partizipation

1. Was fasziniert Dich besonders an einer Jugendpolitischen Partizipation?
Was mich besonders an einer Jugendpolitischen Partizipation fasziniert, ist die Vision, dass junge Menschen ihre eigenen Ideen und Meinungen in die Politik mit einbringen und dadurch ihre eigene Zukunft mitgestalten können. Ich habe viele Veranstaltungen für junge Menschen zu aktuellen wichtigen Themen wie Nachhaltigkeit, Digitalisierung, die Zukunft Europas, etc. besucht. Bei Workshops und Diskussionen sind jedes Mal großartige innovative Ideen entstanden, die uns in den Themenbereichen einen gesellschaftlichen Fortschritt bringen können. Jedoch wurden diese nie wirklich weiterverfolgt und sind nach den Veranstaltungen untergegangen. Genau diese Gedanken und Vorstellungen sind in meinen Augen jedoch sehr wertvoll. Denn sie zeigen, wie sich die junge Generation die Zukunft und unsere Gesellschaft vorstellt.

Jungen Menschen sollte die Möglichkeit gegeben werden, genau diese Visionen an Entscheidungsträger heranzutragen. Denn Letztere treffen heute Entscheidungen in der Politik, welche die junge Generation in der Zukunft zu tragen haben. Die jungen Menschen ihre eigene Zukunft mitgestalten zu lassen, ist in meinen Augen essentiell für den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft und für unsere Demokratie. Denn letztere lebt von der Partizipation aller. Dies kann jedoch nur verwirklicht werden, wenn alle Altersklassen – im Rahmen des Möglichen – die Chance der aktiven Partizipation haben.

2. Wie schätzt Du die aktuelle Entwicklung einer Jugendpolitischen Partizipation ein?
Wir erleben eine Art Momentum, eine große Welle, die sich immer weiter aufbaut. Die Motivation und der Wille junger Menschen, ihre eigene Zukunft mitzugestalten, hat in den letzten Jahren stetig zugenommen und wächst kontinuierlich weiter. Ich halte Fridays for Future als einen der großen Auslöser. Die jungen Menschen haben gesehen, dass sie von der Politik gehört werden, wenn sie genug Druck aufbauen und genügend Unterstützung von einem großen Teil der Gesellschaft erhalten. In den darauffolgenden Jahren wurden immer mehr Bewegungen, Initiativen und Projekte gestartet und haben von jungen Menschen vermehrt Aufmerksamkeit bekommen. Ich glaube, wenn wir diese Welle nutzen, kann man eine nachhaltige Veränderung bewirken und jugendpolitische Partizipation in der deutschen Politik etablieren. Denn auch die Politik merkt, dass immer mehr junge Menschen bei Entscheidungen mitwirken möchten und sich mit den aktuellen Angeboten von Seiten der Politik nicht zufriedengeben.

3. Wenn Du Königin der Welten wärest: was würdest Du bzgl. einer Jugendpolitischen Partizipation als erstes veranlassen?
Eine schöne, aber auch abschreckende Vorstellung, so viel Macht zu haben… Ich würde sog. „Youth Advisory Councils“, also beratende Jugendgremien in jedem Land etablieren. Diese wären dann mit jungen Menschen besetzt und würden die Politik hinsichtlich der Ansichten und Ideen ihrer Generation beraten. Ein Beispiel ist hier der “Advisory Council on Youth”, der beim Europarat angesiedelt ist. In einigen Ländern gibt es auch bereits Jugendvertretungen oder auch Dachverbände, die Interessenvertretungen wie Jugendparlamente und -beiräte im jeweiligen Land bündeln wie zum Beispiel die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft der Jugendverbände. Diese setzen sich dann als Sprachrohr für die Interessen der Jugend in ihrem Land ein. Ich würde es jedoch als verpflichtend für alle Länder einführen, eine derartige Institution direkt in der Politik zu etablieren, die von der Regierung bei großen Entscheidungen aktiv konsultiert wird. Dadurch sollen junge Menschen in den Entscheidungsfindungsprozess mit einbezogen werden. Jedoch denke ich, dass es gut ist, dass niemand als König:in der Welten dies überall einführt. Denn ein derartiges Gremium muss von der Gesellschaft getragen werden und sollte deshalb m.M. nach auch aus dieser heraus entwickelt und nicht von außen aufgesetzt werden.

4. Welchen Nutzen hat die Gesellschaft von einer Jugendpolitischen Partizipation?
Grundsätzlich profitiert m.M. nach die gesamte Gesellschaft. Einerseits gewinnen die jungen Menschen selbst bei einer jugendpolitischen Partizipation: Sie können ihre Ansichten, Bedürfnisse und Ideen in die Politik einbringen und dadurch ihre eigene Zukunft mitgestalten sowie sicherstellen, dass ihre Interessen berücksichtigt werden. Durch diese Möglichkeit der Mitbestimmung werden Jugendliche ermutigt, sich aktiv am politischen Prozess zu beteiligen und ihre Stimme in politischen Angelegenheiten zu erheben. Dies kann sowohl zu einem stärkeren bürgerschaftlichen Engagement und einem aktiven Beitrag zur Lösung gesellschaftlicher Probleme führen als auch das Vertrauen junger Menschen in die Demokratie und die politischen Institutionen stärken.

Eine jugendpolitische Partizipation stärkt zudem das Verständnis für unsere Demokratie. Wie kann ich selbst aktiv werden in unserer Demokratie? Wie kann ich das Privileg nutzen, in einer Demokratie zu leben? Diese Fragen werden durch verschiedene Möglichkeiten der Teilhabe für junge Menschen in der Politik beantwortet. Dadurch wird jungen Menschen gezeigt, dass unsere Demokratie auf der Partizipation von Menschen beruht und auch die Möglichkeiten dafür schaffen kann. Dadurch kann man jungen Menschen den hohen Wert der Demokratie näherbringen. Es profitieren auch die anderen Teile der Gesellschaft, wenn die jungen Menschen hinter der Demokratie stehen und sie tragen. Zudem profitieren die anderen Teile der Gesellschaft von einer jugendpolitischen Partizipation, indem die junge Generation die Politik ggf. mit ihren frischen und innovativen Ideen bereichert und sogar aufmischt. So können Lösungsmöglichkeiten für aktuelle Probleme entstehen, die sonst vielleicht nicht aufkommen würden. Zusammengefasst: von einer jugendpolitischen Partizipation kann jeder – direkt oder indirekt – profitieren.

5. Was gibt es bei einer Jugendpolitischen Partizipation besonders zu bedenken?
Die Etablierung einer jugendpolitischen Partizipation ist auch deshalb nicht einfach, da es unterschiedliche Faktoren zu beachten und auszutarieren gibt. So muss bedacht werden, wie viel und welche Art von Einfluss junge Menschen in der Politik haben sollen. Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten der Beteiligung von jungen Menschen. Von der einmaligen Anhörung junger Menschen zu verschiedenen Themen, wie auf den Jugend-Politik-Tagen in Deutschland bis hin zur regelmäßigen Konsultation und der Etablierung eines dafür geschaffenen Gremiums, wie dem WHO Youth Council. Letzterer berät die Führungsetage der WHO im Hinblick auf die Erfahrungen und Expertise junger Menschen. Oder man erschafft eine dauerhafte Partizipationsmöglichkeit über ein Online-Tool, in welchem junge Menschen jederzeit ihre Ideen eintragen können. Ein Ansatz ist hier das Portal Youthideas.eu. Daran angeknüpft ist die Frage, wie stark die Ideen und Gedanken der jungen Menschen dann aufgegriffen werden. Diese können in der politischen Diskussion eingebracht und debattiert werden, wie es zum Beispiel im Anschluss des European Youth Events ist. Hier werden die eingebrachten Ideen junger Menschen im Europäischen Parlament in einer Sitzung diskutiert. Fraglich ist nur, ob darüber hinaus etwas mit diesen Visionen passiert. Werden Sie umgesetzt oder verblassen sie danach? Die Einrichtung eines Gremiums, das sich mit den Ideen der jungen Menschen und deren Umsetzung intensiv beschäftigt, wäre hier eine andere Möglichkeit.
Darüber hinaus müsste man sich darüber Gedanken machen, wie groß ein derartiges Gremium sein soll und mit welchen jungen Menschen es besetzt wird. Was bedeutet „junge Menschen“? In Deutschland sind damit zum Beispiel offiziell Menschen zwischen 14 und 27 Jahren gemeint. Aber kann man mit 27 Jahren noch von einer „Jugendpartizipation“ reden?

Des Weiteren ist fraglich, woher die jungen Menschen ihre Legitimation bekommen, welche die Interessen ihrer Generation einbringen. Hier gibt es verschiedene Möglichkeiten – von einer offiziellen Wahl über Bewerbungen und Auswahlverfahren hin zu Losung oder Benennung und Berufung durch z.B. Politiker:innen.
Die größte Herausforderung ist es wohl, die gesamte Jugend in einem Land zu repräsentieren. Hier stellt sich die Frage nach der Umsetzbarkeit dieses Aspektes. Die Mitglieder des Gremiums müssten alle sozioökonomischen Schichten in Deutschland unter jungen Menschen repräsentieren. Wie erreicht man diese Leute? Sollte es Quoten geben? Um alle jungen Menschen zumindest mit dem Angebot zu erreichen, bedarf es eines großen Aufwands, diese Möglichkeit zu verbreiten.

Dies ist nur ein Ausschnitt der Fragen, die sich bei der Umsetzung einer jugendpolitischen Partizipation ergeben und bedacht werden sollten. Dadurch kann man sehen, dass dies nicht von einem auf den anderen Tag geschehen kann, sondern einer guten Vorbereitung bedarf. Dabei sollte eine jugendpolitische Partizipation immer durch Konsultation der Gesellschaft und insbesondere der jungen Menschen geschehen, sodass diese nicht an den Interessen der jungen Menschen vorbei gedacht, sondern im besten Fall mit oder ausschließlich von diesen gestaltet wird. Denn am Ende hängt der Erfolg einer jugendpolitischen Partizipation von der Unterstützung insbesondere der jungen Menschen und der gesamten Gesellschaft ab.

6. Wie könnte der Wissenstransfer einer Jugendpolitischen Partizipation in die Gesellschaft aussehen?
In meinen Augen ist es essentiell, dass jugendpolitische Partizipation zum Beispiel in Form eines Jugendrates auf Bundesebene transparent und von außen zugänglich gestaltet wird. Hier sollte gerade nicht der Fehler gemacht werden, die Arbeit hinter verschlossenen Türen und lediglich durch exklusiven Zugang zugänglich zu machen. Vielmehr gibt es hier die Notwendigkeit, die Ideen, Wünsche und Bedürfnisse der jungen Menschen sowie das Herantragen dieser an die Politik in der Öffentlichkeit publik zu machen. Dies kann einerseits durch Öffentlichkeitsarbeit und Medien geschehen, welche die Ergebnisse und Erkenntnisse aus den Jugendbeteiligungsprozessen verbreiten und somit die wichtigsten Botschaften und Errungenschaften einem breiten Publikum zugänglich machen.

Zudem können und sollten Bildungseinrichtungen wie Schulen, Universitäten und Jugendeinrichtungen in den Prozess integriert und dementsprechend auch informiert werden. Gerade das Thema „Partizipation und Partizipationsmöglichkeiten in unserer Demokratie“ sollte jungen Menschen schon früh vermittelt und beispielsweise auch Bestandteil des Lehrplans werden.

Darüber hinaus kann jugendpolitische Partizipation von zivilgesellschaftlichen Organisationen unterstützt werden, die sich für die Förderung von Jugendbeteiligung einsetzen. Diese Organisationen können Plattformen für den Austausch und die Vernetzung junger Menschen bieten, um ihre Erfahrungen zu teilen und gemeinsam mit einem entsprechenden Gremium Lösungen zu entwickeln. Letztendlich ist der wichtigste Wissenstransfer die Peer-to-Peer Kommunikation. Jugendliche können ihr Wissen und ihre Erfahrungen aus der Jugendbeteiligung mit ihren Altersgenoss:innen teilen. Gerade dieser Austausch zwischen Gleichaltrigen ermöglicht es jungen Menschen, voneinander zu lernen, sich gegenseitig zu motivieren und gemeinsam für positive Veränderung einzutreten.

Insgesamt sollte dieser Wissenstransfer kontinuierlich erfolgen, um eine nachhaltige Wirkung zu erzielen und Bewusstsein für Wichtigkeit und Bedeutung von jugendpolitischer Partizipation in der Politik herzustellen.

7. Was wünschst Du dir für die Zukunft?
Ich wünsche mir, dass in Zukunft jeder Mensch in unserer Gesellschaft an unserer Demokratie teilnehmen kann, dass dadurch unsere Demokratie noch bunter und lebendiger wird und gerade junge Menschen die Zukunft in ihr sehen, dass junge Menschen Vertrauen in die demokratischen Institutionen und die Politik haben und dass sie die Motivation haben, sich zu engagieren, da sie dadurch ihre eigene Zukunft mitgestalten können.

Dies alles kann man m.M. nach durch Angebot der Partizipation für junge Menschen in unserer Demokratie möglich machen. Daran arbeiten wir im Jugend-Enquete-Kommission e.V. zum Beispiel, indem wir versuchen, ein Gremium zu etablieren, das Anliegen von jungen Menschen in die Politik trägt. Ich wünsche mir, dass wir damit erfolgreich sind. Und falls wir damit nicht erfolgreich sind, dass wir zumindest eine Debatte in der Gesellschaft und Politik angestoßen haben, junge Menschen mehr in Entscheidungsfindungsprozesse einzubeziehen und ihre Ideen und Gedanken mehr zu hören. Denn darin sehe ich persönlich den zukünftigen Erfolg unserer Demokratie: wenn sie es schafft, alle Menschen mitzunehmen und von ihr zu überzeugen. Und damit meine ich wirklich ALLE Menschen. Und vor allem die junge Generation, die die Demokratie auch in Zukunft tragen soll.


Vielen Dank für Deine Impulse!

7 Fragen - 7 Impulse Stella Imo Expertin für Jugendpolitische Partizipation

Stella Imo ist Vorstandsvorsitzende des Jugend-Enquete-Kommission e.V.
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Interview geführt am 29. Juni 2023 – Veröffentlichung am 04. Juli 2023

 

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